Michael Hanfeld: Realität und Fiktion im Dokumentarfilm
Der Dokumentarfilm "Lovemobil" (Elke Lehrenkrauss), der als Hybrid-Doku die Situation von Prostituierten, die in Wohnmobils an Landstraßen Sex anbieten zeigt, hat heftige Diskussionen über die Ansprüche an Dokumentarfilme ausgelöst: Die Bilder sollen authentisch sein, aber es ist rechtlich und menschlich nicht immer möglich so zu filmen. Susanne Binninger und David Bernet von der AG Dok nehmen im Gespräch mit Michael Hanfeld dazu Stellung:
David Bernet: "Es gibt einen hohen Druck ...Das Publikum hat die Erwartung, dass nichts Falsches behauptet wird, aber man möchte auch nicht gelangweilt werden und tolle Bilder sehen. Es gibt einen Wettbewerb um die Klasse von Bildern, die Dramatisierung, Verdichtung und Thesen. All das schränkt das, was man sich romantisch unter Dokumentarfilm vorstellt - man geht raus und beobachtet und flmt - ein. Aber das ist Teil unseres Anspruchs. Wir erzählen dokumentarisch Geschichten."
"Erstlingswerke entstehen oft unter prekären Bedingungen mit wahnsinnig viel Eigenleistung. Das ist ein Missstand. Die jungen Leute machen das, weil sie ihr Talent zeigen wollen. Gleichzeitig heißt es: Es geht also auch billig. Das ist eine Prekarisierung, die wir verändern wollen. Viele deutsche Dokumentarfilmer arbeiten mit dem, was man international als low budget bezeichnet."
aus: "Was ist authentisch?" Interview von Michael Hanfeld - Frankfurter Allgemeine Zeitung 1.4.2021