Andreas Maier - Erinnerung an einen großzügigen Lektor
Aus seinem Nachruf auf den Suhrkamp-Cheflektor Raimund Fellinger:
"Einmal retournierte er mir ein Romanmanuskript und sagte vorab am Telefon: Es kommt etwa 150 Mal das Verb 'stehen' vor. Ich: O Gott. Er: Ich erkläre dir, warum. Im ersten Teil des Romans geht es um ein Bücherzimmer. Da stehen Schränke, Stühle, Bücher, alles steht. Dann kommt ein Rockkonzert. Publikum steht, Menschen stehen, Musiker stehen. Dann schreibst du über ein Theaterstück, da steht auch alles auf der Bühne. Ich: Verdammt, Raimund, wie soll ich das jetzt noch ändern? Einen Tag später drückte er mir das Manuskript in die Hand, und es war wie ein gemachtes Bett. Ohne jeden Folgefehler hatte er Alternativen vorgeschlagen, die ich einfach nur noch übernehmen musste."
Andreas Maier: "Eigenes im Fremden" - Zum Tod des Suhrkamp-Cheflektors und Literaten Raimund Fellinger, Frankfurter Allgemeine Zeitung 28.4.2020