Rainer Moritz über Autobiografie - Fiktion - Autofiktion
Der Schriftsteller und Literaturkritiker Rainer Moritz hat sich ein Thema vorgenommen, das gerade höchste Aufmerksamkeit bei Autoren und Lesern erfährt: die Autofiktion. Hier nur einige Passagen aus seinem Beitrag für die NZZ:
"Selbst wenn ihre Verfasser (von Autobiografien) einen sogenannten "autobiografischen Pakt" mit ihren Lesern schliessen, um die Wahrhaftigkeit ihrer Erinnerungen zu bekräftigen, ändert sich nichts am fiktionalen Charakter des Geschriebenen. (...)
Wer eine Autobiografie verfasst, wählt aus, lässt weg, beschönigt, spitzt zu, schafft Kausalitäten, damit das eigene Leben einen sinnvollen Zusammenhang erhält, und verdrängt womöglich genau das, was den Wesenskern des eigenen Daseins ausmacht."
"So verspricht man sich vom autofiktionalen Schreiben die Freiheit, sich nicht zwischen Autobiografie und Fiktion entscheiden zu müssen. Und natürlich verbirgt sich dahinter nicht selten eine ausgepägte Egozentrik, die die eigene Person wichtiger als alles andere nimmt."
aus: "Lebensbeichten von Egozentrikern" - Autofiktion ist zum Modewort geworden. Man kann sich fragen: Wozu soll das gut sein?" von Rainer Moritz - Neue Zürcher Zeitung 14.6.2023