Doris Lessing: Schreibroutinen

Ihr Schaffen umfasst etwa 53 Bücher. Ist dies überwältigend grosse Werk in festen Schreibzeiten entstanden?

"Nein, es gab nie eine feste Routine. Seltsam, kein Maler, kein Architekt wird das je gefragt - nur wir Schriftsteller. Es ist, wie Virginia Woolf sagte: Eine Schriftstellerin braucht ein Notizbuch und einen Stift, aber das hört sich zu einfach an, und deshalb meinen viele, es gäbe einen Trick, und sie möchten den Trick verstehen ... Jeder hat seine  Gewohnheiten. Ich denke ja pausenlos über das nach, was ich gerade schreibe.

Ich habe übrigens nie eine Schriftstellerin kennengelernt, die solche Schreibroutinen einhalten konnte, es sei denn, sie hatte eine Mutter, eine Sekretärin, einen sorgenden Ehemann. Frauen müssen sich um das Dach kümmern und darum, dass der Kühlschrank gefüllt ist, sie versorgen die Katze und gehen zur Tür, wenn die Post kommt. Ich habe nie eine Frau kennengelernt - außer sie hat einen Bürojob -, die ein eigenes Haus führt und regelmäßige Arbeitszeiten hätte.

ausd: "Als ob wir die Kontrolle hätten..." von Bernadette Conrad - Neue Zürcher Zeitung 28.2.2004