Carlo Strenger: Schreibspuren hinterlassen
"Woher kommt die Obsession für das quantifizierte Selbst? ... Die neue Besessenheit hat ihre Ursache in einem zutiefst menschlichen Bedürfnis - der Angst nämlich, spurlos von dieser Welt zu verschwinden. Oder positiv formuliert: Wir alle wollen Spuren hinterlassen. Das allein versöhnt uns mit unserer Sterblichkeit, die wir als angeblich selbstbestimmte Wesen als Skandalon par excellence empfinden. Die Pharaonen bauten riesige Pyramide, die Helden der 'Ilias' gaben ihr Leben hin, um Heldentaten zu vollbringen, von denen spätere Generationen noch singen würden. Homer verfasste sein Epos, um nicht vergessen zu werden, genau wie Rembrandt wollte, dass seine Werke und sein Name für immer in Erinnerung bleiben mögen."
aus: "Wie viele Likes der Mensch braucht" von Carlos Strenger - Neue Zürcher Zeitung 16.12.2016